Das mädchen, dass aus ging und seinen seelenfrieden suchte
Es war einmal ein kleines mädchen, das nackt und bloß auf ihrem bette hockte. Sie starrte vor sich her und wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Sie fühlte sich leer, verletzt und einsam.
Ihr bett stand auf einer riesengroßen wiese, nahe dem sanft plätschernden fluß. Die wiese war übersät von vielen bunten, leicht duftenden blüten und gräsern.
Wenn das mädchen ihre hand zu den blüten und gräsern ausstreckte, kamen sie ihr entgegen. Sie kamen so dicht, wie sie es wollte.
Manchmal konnten sie nicht dicht genug kommen, dann war ihr so kalt, dass die blüten und gräser sie ganz umschlangen , dicht aneinander, so dass der wind und die kälte ihren bloßen körper nicht berühren konnten.
Das mädchen konnte sich darauf verlassen, das die blüten und gräser sie wärmen würden, wenn sie es brauchte.
Es war gerade sommer. Das mädchen bewegte sich gewohnheitsmäßig nackt und alle konnten es so sehen. Alle lebewesen, ob baum, maus oder die eule, freuten sich über die unbefangenheit des mädchens.
„schau mal“, sagte die rose zu dem eichhörnchen, welches gerade vorbei an dem rosenstock kam, „wie schön das mädchen ist! Ihre bewegungen, graziös! Wie sie von ihrem bett in ihren rollstuhl schwebt. Wie eine feder, anmutig und schön!“ „und schau“ meinte das erstaunte eichhörnchen, „die blüten und gräser, ja sogar die kleinen winzigen käferchen gehen zur seite und machen dem mädchen platz...“ das eichhörnchen konnte gar nicht weiterreden, weil es so fasziniert war!
Und es war wirklich so. die räder berührten die wiese nicht.
das mädchen tollte über die große weite wiese. die sonne wärmte sie und aus jeder pore von ihr klangen liebliche melodien. eine harmonie und glückseligkeit strahlte sie aus .
Aus der ferne hörte sie, dass ihr freund der bär kam, ein großer, brauner, weich-zotteliger kuschelbär. er war drei-viermal größer als sie. sie freute sich auf ihn. sie hatte ihn lange nicht mehr gesehen. das mädchen fuhr ihm entgegen, langsam, und etwas verhalten. am himmel zogen ganz kleine wolken auf, hinter denen sich die sonne leicht versteckte. irgendetwas lag in der luft - irgendetwas machte das mädchen unsicher, doch sie wollte es noch nicht sehen, spüren und fuhr schneller zu dem bären hin. der bär kam auf sie zu, brummte leise und fröhlich ein lied, das dem mädchen sehr vertraut war.
„hey bär, schön das du da bist, endlich!“, rief das mädchen erfreut und glücklich und kuschelte sich in seine arme. der bär murmelte etwas vor sich hin, drückte sanft seine tatzen um das mädchen herum. sie konnte gar nicht verstehen was er sagte. sie war nur glücklich, dass er da war und sie festhielt.
Langsam bewegte er seine arme auf und ab und hielt sie dabei fest, ja sogar so fest, dass dem mädchen unheimlich wurde - das kannte sie nicht von ihm...sie wollte sich aus der umarmung befreien, herauswinden...so, wie sie es sonst immer mit leichtigkeit getan hatte. sie wollte mit ihm rumtoben, über die wiese kullern, auf seinem rücken reiten. so, wie es früher immer war, unbeschwert und unbefangen. doch das ging nicht und sie verstand es nicht.“ hey, lass mich los, sonst kitzel ich dich durch“, sagte sie mit ihrer anschmeichelnden naivität, mit der sie sonst alles erreicht hatte.
Doch der bär murmelte wieder etwas, was sie nicht verstand, und ließ nicht locker, im gegenteil - das mädchen erschrak heftig, als es spürte, dass der bär sie mit seinen krallen berührte. zuerst nur sanft und dann immer stärker. das mädchen schrie und weinte und verstummte, als es merkte, dass der bär nicht aufhörte! irgendwann ließ der bär von ihr ab und rannte wieder in den wald hinein, weit weg.
Es war einmal ein kleines mädchen, das nackt und bloß auf ihrem bette hockte. Sie starrte vor sich her und wusste nicht mehr wie es weiter gehen sollte.
das mädchen, verstört, zerschunden, lag dort nackt und bloß auf der wiese.
es war ganz still um sie herum - merkwürdig still...als ob alles um sie herum die luft anhielt...als ob alle, baum, strauch, eule und regenwurm, mitbekommen hatten was passiert war, und ihr nicht helfen konnten. ja sogar das plätschern des flusses hielt inne und die sonne war verschwunden.
Regentropfen fielen vom himmel - erst nur ein paar, aber dann immer mehr, bis es richtig goss. das mädchen wollte zuerst schutz suchen, doch ganz schnell merkte sie, dass der warme regenguß guttat. sie streckte sich und hielt ihre wunden dem regen entgegen und spürte schnell, dass er linderung verschaffte.
Irgendwann, ich spazierte an der wiese entlang, sah ich das mädchen zusammengekauert auf dem bett sitzend. Eingemummelt in eine dicke, dicke decke. Soviel trauer hatte ich lange nicht mehr gesehen! Es rührte mein herz.
Kurz trafen sich unsere blicke und irgendetwas war, was mich nicht wieder los ließ. Sie schaute mich nur ganz kurz an und verfiel wieder in ihre leichte schaukelbewegung .
Ich fuhr weiter, aber vergessen konnte ich sie nicht.
Tage später zog es mich wieder zu der wiese hin – und wieder fand ich sie dort in der gleichen position mit der gleichen schaukelbewegung.
Ihr bett war aufgeräumt und ich bekam mit, wie ein eichhörnchen verstohlen ein paar nüsse neben sie legte und schnell wieder forthuschte. Um das bett herum war die wiese sehr hoch gewachsen.... so hoch, dass die blüten ihre köpfe auf das bett legen konnten. Es lag so viel schwere in der luft.... so viel trauer... dass mir das atmen schwer viel, doch ich konnte nicht weiterziehen – irgendetwas hielt mich an diesen ort!
„darf ich mich neben dich setzen?“ fragte ich das mädchen leise. Sie schaute mich mit leeren augen an.... zögerte..... und .... war wieder versunken in ihre welt.
Ich setzte mich ans fußende – weit weg von ihr.
Lange saß ich dort – bis es anfing dunkel zu werden. Vögel flogen vorbei, ganz leise.
Als es dunkel war und ich gerade losfahren wollte, merkte ich, dass das mädchen sich ganz vorsichtig aus der decke wickeln wollte. Es weinte und wimmerte leise vor sich hin.
„es tut so weh!!“ hörte ich ihre stimme sagen.
Ich sah ihre wunden, die teilweise blutverkrustet waren und teilweise rosa vernarbt. Tränen liefen über mein gesicht, tränen, die ich lange nicht mehr gespürt hatte!
Vorsichtig, ganz vorsichtig versuchte ich die decke, die an den wunden klebte, zu lösen. Sie weinte.... leise... dann immer lauter.... wehrte sich nicht..... sodass wir gemeinsam die decke lösen konnten.
Erschöpft legte sich das mädchen auf den bauch und ließ die sonne, die wieder schien, auf ihren rücken scheinen. Die blütenköpfe der gräser legten sich schützend über die wunden.
Auch ich war müde. Ich hatte nicht gemerkt, w i e lange ich schon bei dem mädchen war. Zwischendurch kamen die spatzen und gaben uns von ihren brotkrumen ab, die sie mühsam zusammengesucht hatten. Ameisen schleppten wasserkrüge, damit wir nicht verdursteten. Spinnen webten ein leichtes dach über uns, sodass wir ein bisschen schutz vor dem wind und regen hatten. Und letztendlich war jede nacht die eule da, im baum, in sicherer nähe, so dass sie uns gut bewachen konnte. Manchmal wachten wir auf und hörten, wie die eule den fuchs, der das blut roch, rufend verjagte.
„ uhu, uhu, laß sie schlafen, laß sie ruhn,
morgen, ja morgen, haben sie wieder viel zu tun“
und der fuchs, der nur neugierig war und wissen wollte, wer da mitten auf der wiese mit einer spinnendecke umhüllt, schlief, zog von dannen.
4 jahre, 4 wochen und 4 tage sind nun vergangen. Das mädchen ist gewachsen. Es ist groß geworden .... und... die decke war von ihren wunden gelöst! Kein wollfaden klebte mehr an ihren wunden.... kein fussel!!
Die verkrustung war längst schon abgefallen und die narben waren verblasst.
Manchmal schmerzten sie noch. Dann hielt sie inne.... weinte, und wusste, dass es gleich wieder gut war. Je mehr sie diesem impuls nachgab, je größer wurden die abstände zwischen zeiten, wo ihre wunden sie quälten.
Als ich sah und mitbekam, dass die fröhlichkeit wieder platz in dem körper des mädchen bekam und die blüten und gräser einen lieblichen duft von sich gaben und als ich merkte, dass die eule sie in der nacht behütete, war für mich der zeitpunkt gekommen, abschied zu nehmen.
Auch für mich waren diese 4 jahre, 4 wochen und 4 tage eine wichtige zeit gewesen. Auch bei mir sind wunden geheilt. Auch bei mir konnte die fröhlichkeit und gelassenheit wieder einkehren.
Der abschied war schmerzhaft.... aber wir waren auch sehr glücklich..... glücklich darüber, dass wir beide zusammen die schwere, die inn und um dem mädchen herum gewesen war aufheben konnten. Dass wir durch den finsteren dschungel von gefühlen und verletzungen einen weg gefunden hatten, den das mädchen jetzt auch ohne meine begleitung weiter gehen konnte.
Es war einmal ein mädchen, das auf seinem bett saß, geschmückt mit einem wunderschönem kleid und einer lieblich duftenden rosenkette. sie überlegte, was sie nun als erstes tun könnte.
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